Tiflis – eine Stadt zwischen Tradition und Moderne
Noch vor zehn Jahren hätte man selbst unter Vielreisenden erstaunte Blick geerntet, bei der Verkündigung einer anstehenden Reise nach Georgien. Das kleine Land am Schwarzen Meer war bis vor kurzem kein gängiges Urlaubsziel. Geprägt von seiner Sowjetvergangenheit kannte man Georgien und insbesondere Tiflis lange Zeit nur auf Grund seiner politischer Konflikte aus den Nachrichten.
Dies hat sich zum Glück verändert und derzeit ist Georgien dabei sich vor allem bei Reiseinteressierten zu einem echten Trendziel zu entwickeln. Aus diesem Grund war ich überrascht wie häufig ich in meinem Umfeld nach wie vor mit ungläubigen Reaktionen ob der Wahl meines Reiseziels konfrontiert worden war.
Bei Freunden aus dem englischsprachigen Ausland habe ich sogar die Erfahrung gemacht, dass man mir bei der Erwähnung von Georgia (englisch für Georgien) einen guten Flug in die USA wünschte. Bei Aufklärung des Missverständnisses kam schließlich heraus, dass man noch nie etwas von dem kleinen Land im Kaukasus gehört hatte.
Obwohl Georgien bereits im Jahr 2018 als eines der Top 10 Reiseziele bei Lonely Planet geführt wurde, scheint also nach wie vor etwas Aufklärungsbedarf zu bestehen. Deshalb will ich dir hier gerne von meiner Reise nach Tiflis erzählen.
Die georgische Hauptstadt liegt im Osten des Landes in Mitten hügeliger Natur an der Kura, dem größten Fluss des Kaukasus.
Sowjetvergangenheit und geschichtsträchtige Altstadt
Schon bei der Fahrt vom Flughafen in die Innenstadt wird einem die Vergangenheit Georgiens als Sowjetstaat vor Augen geführt. Graue Plattenbauten und einfache Stadtrandbezirke säumen ein großes Stück des Weges und werden schließlich von der beeindruckenden Altstadt von Tiflis abgelöst. Dort hat man hingegen überhaupt nicht mehr das Gefühl sich im ehemaligen Russland zu befinden. Stattdessen sind die Einflüsse aus den südlichen und östlichen Nachbarländern vorherrschend und auch ein mediterranes Lebensgefühl ist unverkennbar.
Die alte Architektur in Tiflis ist geprägt von kleinen, teilweise baufälligen, aber sehr charmanten Wohnhäusern mit Jugendstilelementen, maurischen Einflüssen und kunstvoll verzierten Holzbalkonen. Die teils farbenfrohe Bemalung und die kleinen steilen Gassen machen die Altstadt äußerst sehenswert.
Daneben hat sich aber auch eine hochmoderne Architektur entwickelt, die zwar im starken Kontrast zur traditionellen Bauweise steht, der Stadt jedoch auch einen zeitgemäßen und hippen Charakter verleiht.
Etwa die im Jahr 2010 erbaute Friedensbrücke, eine Fußgängerbrücke über die Kura, polarisiert auf Grund ihres eigenwilligen Designs genau so wie die neue Musiktheater- und Konzerthalle in Form zweier auffälliger Glas- und Metallröhren, die von oben das Stadtbild von Tiflis stark dominieren.
Wie fast jede Großstadt lässt sich Tiflis am besten mit ausgiebigen Spaziergängen erkunden. Die Ausdehnung der Innenstadt ist überschaubar, allerdings sollte man dennoch gut zu Fuß sein. Auf Grund der hügeligen Lage der Stadt führt der Weg nämlich stetig auf und ab.
Highlights und Sightseeing in Tiflis
Eine der Hauptattraktionen lässt sich bequem für nur einen Georgischen Lari (ungefähr 0,30 Euro) per Seilbahn besuchen und zwar der Sololaki Gebirgskamm mit der Kartlis Deda, der Mutter Georgiens. Es handelt sich dabei um eine 23 Meter hohe Statue einer Frauenfigur mit einem Schwert zur Verteidigung gegen die Feinde des Landes in der einen Hand und einer Schale mit Wein für Gäste in der anderen Hand.
Außerdem lohnt sich die Fahrt mit der Seilbahn schon allein um die tolle Aussicht auf die Stadt zu genießen und um sich die alte Festungsruine Nariqala anzuschauen. Den Rückweg kannst du entweder ebenfalls mit der Seilbahn antreten oder du machst dich zu Fuß an den Abstieg. Dieser führt nämlich durch den idyllischen Botanischen Garten, der einem für nur zwei Lari Eintritt an heißen Sommertagen ein bisschen Schatten und Abkühlung schenkt.
Wieder unten in der Stadt angekommen, solltest du dir auf keinen Fall den kurzen Fußweg zum Leghvtakhevi Wasserfall entgehen lassen. Mitten im Stadtgebiet hat man plötzlich den Eindruck sich mitten in der Natur zu befinden. Ein Weg führt entlang eines kleinen Tals an dessen Ende man den 22 Meter hohen Wasserfall am Fuße des Botanischen Gartens vorfindet. So viel Natur in der Großstadt habe ich noch nirgendwo sonst erlebt.
Eine weitere Attraktion in Tiflis sind die Schwefelbäder. Wie prägend die warmen Quellen für die Stadt sind, zeigt schon allein der Name: Tiflis heißt in der Landessprache Tbilisi und „Tbili“ bedeutet auf georgisch warm.
Intensive Massagen im Bäderviertel Abanotubani
Ich habe auf Grund von Zeitmangel die Schwefelbäder leider nur von außen besucht und kann daher keine Empfehlung abgeben, welches der Bäder am ehesten einen Besuch lohnt. In jedem Fall gibt es verschiedenste Anwendungsmöglichkeiten und flexibel buchbare Zeiträume, auch bis in die späten Abendstunden. Wenn du SPA und Wellness magst und auch kräftige Peelingbehandlungen nicht scheust, solltest du hier auf deine Kosten kommen.
Für alle Anderen lohnt ein Besuch des Bäderareals aber trotzdem, da diese teilweise in tollen maurischen Gebäuden und interessanten Kuppelbauten untergebracht sind.
Auffallen werden dir in Tiflis – und ganz Georgien – auch die vielen, nahezu gleich aussehenden Kirchen. Alle sind von außen eher schmucklos gehalten, verfügen über einen zentralen Kuppelturm mit hohen schmalen Fenstern und einem kegelförmigen, häufig metallverkleidetem Dach. Im Inneren befinden sich oft kunstvolle Wandbemalungen.
Die Mehrheit der Georgier ist christlich orthodox und die Religion spielt eine große Rolle im Alltag der älteren Menschen. Aus Respekt sollte man sich daher an das meistens bestehende Fotografierverbot in den Kirchen halten.
ACHTUNG: Vergiss nicht bei deinem Besuch in Tiflis einen großen Schal oder ein Tuch mitzunehmen. Die meisten Kirchen dürfen von Frauen nicht ohne Kopftuch betreten werden und nicht immer hast du die Möglichkeit am Kircheneingang ein Tuch auszuleihen.
Selbst lange Hosen werden nicht gerne gesehen. Häufig findet man zwar am Eingang der Kirchen Körbe mit Tüchern, die man sich während des Besuchs um die Hüften binden kann, um auf Nummer sicher zu gehen, empfehlen sich aber stets ein bis zwei dünne Tücher für Kirchenbesuche im Handgepäck.
Neben der alten Kultur, hat Tiflis auch eine sehr lebendige Ausgehszene zu bieten. Gemütliche, orientalisch geprägte Lounges, coole Rooftopbars, Restaurants und tolle Streetart, findet sich in Tiflis genau so wie in jeder westlichen Großstadt.
In der Altstadt isst man am besten in der Erekle II Straße. In der schmalen Fußgängerzone reiht sich ein Restaurant ans Andere. Es gibt gemütliche Sitzbereiche im Freien, und im Sommer wird man zur Abkühlung sogar leicht mit Wasserdampf besprüht. Dazu wird authentisch georgische Küche zu fairen Preisen serviert.
Empfehlen kann ich außerdem das Restaurant Shavi Lomi. Wir hatten es über TripAdvisor gefunden und es liegt ein wenig außerhalb der Innenstadt, auf der anderen Seite der Kura. Das Essen war fantastisch und wir saßen in echter Wohnzimmeratmosphäre neben einem idyllischen Gastgarten im Innenhof. Von außen ist das Restaurant kaum als solches zu erkennen. Nur ein bemaltes Metalltor macht auf das Restaurant aufmerksam. Das Eintreten lohnt!
Shisha Bars, Roof Top Locations und Hipsterviertel
Auf jeden Fall solltest du nach dem Essen die zahlreichen Bars in der Stadt austesten. In der Jan Shardeni Straße fällt die Auswahl zwischen den vielen gemütlichen Bars mehr als schwer.
Wer lieber hoch hinaus will, sollte sich einen Platz auf der Dachterrasse des Terrace 360 im Zentrum der Altstadt sichern. Mit einem Außenaufzug geht es hinauf und auch wenn die Onlinebewertungen der Bar teils zu wünschen übrig lassen, ist die Lage einfach fantastisch. Schon allein deshalb lohnt sich meiner Ansicht nach an einem Sommerabend ein Besuch.
Wenn du das moderne und authentische Tiflis mit eher weniger Touristen suchst, dann sei dir die Fabrika Tbilisi empfohlen. In der Egnate Ninoshvili Straße gelegen, eine knappe halbe Stunde außerhalb der Altstadt, findet sich hier alles was das Hipsterherz höher schlagen lässt. Auf dem Gelände einer ehemaligen Nähfabrik aus der Sowjetzeit hat sich ein kreatives Viertel mit hippen Bars und Cafés, kleinen Designerläden, Start Ups, Co-Working Spaces und Street Art entwickelt.
Lichterketten schmücken das Viertel und selbst zur späten Abendstunde ist auf dem Gelände noch Highlife. Ich bin abends nach einem Essen im Shavi Lomi zufällig dort gelandet und war sehr begeistert von der gechillten und kreativen Atmosphäre der Fabrika.
Auch nach ein paar Tagen in der Stadt fiel es mir noch schwer Tiflis einzuordnen und ein Gefühl für die Stadt zu entwickeln.
Wir sind sehr darauf sozialisiert alles in irgendener Form in Schubladen stecken zu wollen und dies gelingt in Tiflis nur bedingt. Russisch, mediterran, arabisch, türkisch: Tiflis und ganz Georgien ist von so vielen grundverschiedenen historischen Einflüssen geprägt wie es mir in dieser Form zuvor noch nicht begegnet ist. Und dennoch haben es die Georgier geschafft ihre eigene Schrift, Sprache und Identität zu erhalten.
Ich habe es als sehr spannend empfunden eine Stadt und ein Land zu erleben, das irgendwo an der Schwelle zwischen West und Ost, zwischen Tradition und Moderne steht. Ein Land, das unbedingt in die EU möchte. Vielerorts erscheint diese Möglichkeit vom Entwicklungsstand her gar nicht abwegig und an anderen Stellen scheint sie wieder Welten entfernt.
Authentisches Reiseerlebnis in einem aufstrebenden Land
Zum aktuellen Zeitpunkt hat man als Reisender noch die Chance ein Land zu erleben, das sich gerade erst im touristischen Aufschwung befindet. In Georgien ist man noch nicht allerorts vollständig auf Touristen eingestellt und das ist meiner Ansicht nach großartig. Es bietet dir noch die Möglichkeit für ein relativ authentisches Reiseerlebnis.
Wenn dich Georgien interessiert, würde ich dir daher empfehlen zeitnah deine Koffer zu packen, bevor sich das kleine Land zu einem Touristenhotspot entwickelt.