Lamaföten Hexenmarkt
Bolivien,  Städte

La Paz – 9 Kuriositäten der spannendsten Stadt Südamerikas

Die heimliche Hauptstadt Boliviens hat mich bei meinem Besuch extrem fasziniert. Es gibt in Südamerika weitaus schönere Städte als La Paz und dennoch habe ich keine Metropole erlebt, die ich als spannender empfunden habe.

Der hohe Anteil der indigenen Bevölkerung ist der Grund dafür, dass die Kultur der Quechua und Aymara Völker in Bolivien nach wie vor tief verwurzelt ist. Diese Andersartigkeit ist in La Paz zu jedem Moment spürbar und führt für westliche Augen teilweise zu skurrilen Begebenheiten.

Zusammen mit der leider sehr instabilen Wirtschaftslage und großen Armut im Land, haben sich somit einige Besonderheiten in La Paz manifestiert, die man in der Form nirgendwo sonst finden kann.

Einen klassischen City Guide für La Paz findest du bereits auf meiner Website. An dieser Stelle möchte ich dir aber von den kuriosesten, fremdartigsten, unheimlichsten und amüsantestens Fakten über die Stadt berichten, die ich während meines Aufenthalts in La Paz selbst erlebt oder auf unterschiedlichen Touren erfahren habe.

 

1. Hexenmarkt, Lamaföten und Menschenopfer?

 

Der Mercado de las Brujas (Hexenmarkt) gehört zu den Top Sehenswürdigkeiten von La Paz und ist heute ein echter Touristenmagnet.

Dennoch ist der Markt weit mehr als das. Auf dem Hexenmarkt lässt sich alles käuflich erwerben, was für das Praktizieren des alten Glaubens der Aymara benötigt wird. Am augenfälligsten sind die toten Lamababys, die an nahezu jedem Stand hängen. Was hat es damit auf sich?

Die indigenen Andenvölker haben eine tiefe Verbundenheit zu Pachamama, Mutter Erde. Um Pachamama zufrieden zu stellen, spielen Rituale und Opfergaben eine große Rolle in den alten Kulturen. Die getrockneten Lamababys und Lamaföten sind daher Opfergaben für Pachamama. Je größer und weißer ein Lama ist, um so teurer ist es. Als Glücksbringer werden die toten Tiere im Fundament neuer Häuser eingegraben um damit den Bewohnern ein glückliches Leben zu sichern.

 

Straßenverkäufer La Paz

 

Auch wenn man die getrockneten Lamaföten überall kaufen kann, wurde uns auf verschiedenen Touren zugesichert, dass die Tiere nicht extra dafür getötet werden. Glück bringen nur jene, die durch eine natürliche Ursache oder bei der Geburt gestorben sind. In Anbetracht der großen Anzahl, ist dies schwer zu glauben…

Bei großen Bauprojekten wie Mehrfamilienhäusern, Brücken oder ähnlichem wird bezweifelt, dass die Opferung eines Lamafötus allein ausreichend ist um Pachamamas Segen zu erhalten. Nach wie vor ist daher immer wieder zu hören, dass auch Menschenopfer gebracht werden und im Fundament von großen Häusern platziert werden. Besonders Obdachlose oder stark Betrunkene, die leicht zu überwältigen seien, würden auch heute noch Gefahr laufen bei Großbauprojekten als rituelle Opfergabe für Pachamama herhalten zu müssen.

Auch wenn dies vor einigen Jahrhunderten bei den Aymara- und Quechua-Indianern tatsächlich gängige Praxis war, habe ich persönlich doch sehr große Zweifel daran, dass an den heutigen Geschichten etwas dran ist. Trotzdem hinterlassen die Erzählungen ein leicht mulmiges Gefühl und den Entschluss vielleicht doch besser nicht bei Nacht allein unterwegs zu sein…

 

Hexenmarkt La Paz

 

Auf dem Hexenmarkt findet sich aber auch eine Vielzahl an harmloseren Utensilien.

Zum Beispiel kann man dort alles was man sich wünscht in Kleinformat erstehen. Ein Haus in Miniaturform, ein Bild eines glücklichen Paares, künstliche Geldscheine und ähnliches. Gerne werden die unterschiedlichen Dinge zusammen mit Süßigkeiten – und gerne auch einem geschmückten Lamafötus – als eine Art Geschenkteller verkauft (siehe Foto unten).

Hierbei handelt es sich sowohl um typische Geschenke zu Hochzeiten oder Geburtstagen, als auch um fertig gerichtete Opfergaben mit den symbolisch erhaltenen Wünschen des Opfernden.

 

ACHTUNG: So faszinierend der Hexenmarkt auch ist, die Damen hinter den Ständen lassen sich nicht gerne fotografieren. In der Aymara Kultur ist der Glaube verbreitet, dass ein Foto die eigene Seele raubt.

 

Zwar habe ich miterlebt, dass ein paar Bolivianos die Vorbehalte gegen ein Foto sehr schnell verschwinden ließen, jedoch bin ich der Meinung, dass man sich möglichst an den Wunsch, nicht fotografiert zu werden, halten sollte. Ich persönlich hätte das Gefühl die Armut der Leute auszunutzen, wenn ich ihnen Geld gebe um entgegen ihres Glaubens ein Foto von ihnen zu machen.

 

2. Schamanen, Magie und Kokablätter

 

So fremd die Welt des Hexenmarkts und der Opfergaben für den westlichen Besucher bereits sein mögen, so befindet sich das Zentrum der Zauberei und der rituellen Zeremonien aber nicht in der Innenstadt von La Paz, sondern am Rand der Metropole, in El Alto.

Hier muss ich einmal vorwegnehmen, dass ich zwar selbst in El Alto war, mit dem hier Beschriebenen aber nicht in Berührung kam. Dies wurde mir lediglich bei verschiedenen Touren durch die Stadt berichtet. Ich fand es jedoch so faszinierend, dass es hier meiner Ansicht nach Erwähnung finden muss.

El Alto ist eine eigenständige Stadt am Rande von La Paz mit 800.000 Einwohnern. Hier ist der Anteil der indigenen Bevölkerung noch höher als in der Metropole selbst und auch der Prozentsatz der in Armut lebenden Menschen ist vergleichsweise hoch.

El Alto ist die Heimat der sogenannten Yatiri, der Schamanen und Heiler des Aymara Volks. Yatiris vollführen die Rituale mit den auf dem Hexenmarkt gekauften Utensilien. Sie lesen aus Kokablättern und dienen der Gemeinde durch weiße Magie. Welches Problem auch immer existiert – gesundheitliche Probleme, Konflikte in der Familie oder mit dem Partner – Yatiris können sie mit Hilfe von Ritualen, Naturmedizin und Zaubersprüchen lösen.

Sowohl Männer als auch Frauen können zum Yatiri werden. Es gibt verschiedene Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen um zum Yatiri zu werden. Das wichtigste Kriterium ist ein Blitzschlag. Nur wer vom Blitz getroffen wurde und dies überlebt, verfügt über die göttliche Reinheit diese Aufgaben zu übernehmen.

Selbst der ehemalige bolivianische Präsident Evo Morales soll mehrfach vor Regierungssitzungen die Dienste eines Yatiris aus El Alto in Anspruch genommen haben.

 

3. Cholas, Cholitas, Cholita Wrestling

 

Cholita ist die Bezeichnung für Aymara und Quechua Frauen in traditioneller Kleidung. Überall in La Paz sieht man die Damen in ihren langen, farbigen und mehrlagigen Röcken, einem bunten Tuch oder Tragetuch um die Schultern, zwei geflochtenen Zöpfen und einem kleinen schwarzen Hut auf dem Kopf.

Cholita ist die Verkleinerungsform der sogenannten Cholos und Cholas. Da dieser Begriff jedoch von den Spaniern als abwertend für die indigene Bevölkerung verwendet wurde, wird die Bezeichnung Chola noch heute als sehr unhöflich empfunden. Gegen die Verkleinerungsform ist jedoch nichts einzuwenden.

Auch hier findet sich die eigentliche Skurrilität in El Alto. Unter den dortigen Cholitas hat sich nämlich eine lebendige Wrestlingszene entwickelt. Die Damen kämpfen hier in ihren traditionellen Gewändern gegeneinander.

 

Cholita Wrestling La Paz

 

Dass ein solches Spektakel nicht lange ein Geheimtipp unter Einheimischen bleibt, ist kein Wunder. Mittlerweile wird das Cholita Wrestling auch von Touristen stark frequentiert und natürlich habe ich mir eine solche Show nicht entgehen lassen.

Tickets für die Veranstaltung ließen sich angenehmerweise in meinem Hotel kaufen. Im Preis von umgerechnet rund 20 Euro war ein Transfer mit dem Minibus inklusive, sowie der Eintrittspreis, ein Getränk, Popcorn und ein Minisouvenir.

Falls du nicht das Glück haben solltest direkt im Hotel buchen zu können, dann schau dir mal die Tour von Red Cap an. Ansonsten kannst du auch auf eigene Faust das Cholita Wrestling besuchen. In dem Fall kostet der Eintritt rund 7 Euro.

Das Cholita Wrestling findet in einer eher schmucklosen, halb offenen Sporthalle statt und obwohl ich im November in La Paz war, habe ich noch das Halloween Special miterleben dürfen. Um erst einmal die Halle betreten zu dürfen, ging es also durch einen lustigen Gruseltunnel, wo man von allen Seiten erschreckt wurde. Anschließend wurde das Publikum von ein paar Cheerleaderinnen mit semiprofessionellen Tanzeinlagen angeheizt, bevor das Wrestling Spektakel begann.

Zuerst kämpften für ein paar Runden Männer mit Horrormasken gegeneinander, bis dann schließlich die Ladys in den Ring stiegen. Die Stimmung bei der Veranstaltung war ausgelassen und über die Hälfte der Gäste waren Einheimische.

Ich kann dir das Spektakel auf jeden Fall nur empfehlen! Wenn du ein professionelles Entertainmentprogramm suchst, bist du hier falsch, aber wenn du dich auf ein höchst unterhaltsames, bizarres, lautes und irgendwie durchgeknalltes Programm einlässt, das Touristen und Bolivianer gleichermaßen feiern, bist du hier richtig.

Jeden Donnerstag und Sonntag steigen die Damen in den Ring.

 

Cholita Wrestling La Paz

 

4. Geister und Geräusche in der Calle Jaén

 

Die Calle Jaén ist eine kleine, aber schöne Altstadtstraße in La Paz, um die sich allerlei unheimliche Mythen und Geschichten ranken.

Es wird erzählt, dass hier der Geist von Pedro Murillo, dem bolivianischen Volkshelden und ehemaligen Bewohner der Calle Jaén anzutreffen sei. Er versuche mit den Menschen in Kontakt zu treten und nachts seien in der kleinen Straße regelmäßig Schreie, Geräusche und das Rasseln von Ketten zu hören.

Selbst Wachen in den Straßen berichteten von diesen Geräuschen und Geistererscheinungen. Zur Abschreckung der Geister wurde extra das Cruz Verde angebracht. Allerdings werden nachts wohl noch immer unheimliche Geräusche vernommen…

 

Calle Jaen Cruz Verde

 

5. Fast Food – Ja! McDonalds – Nein!

 

Aber kommen wir zu den weltlicheren Themen: Es gibt keine einzige McDonalds Filiale in Bolivien! In wie weit das für dich als Kuriosität durchgeht, musst du selbst entscheiden. Ich halte es für eine Millionenstadt wie La Paz dennoch für einen erwähnenswerten Zustand.

Bis 2002 gab es ein paar Filialen des Fast Food Giganten in Bolivien. Wegen mangelhafter Umsätze hat sich McDonalds aber vollständig aus dem Andenstaat zurückgezogen.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Zum einen wird sehr oft die antikapitalistische Haltung der indigenen Bevölkerung Boliviens dafür verantwortlich gemacht. Spätestens während der Regierungszeit von Evo Morales hat sich das Land stark von westlichen Einflüssen abgewandt.

Sehr viel wahrscheinlicher ist jedoch die Tatsache, dass in einem Land, das an jeder Ecke einen Straßenmarkt zu bieten hat und wo man für umgerechnet wenige Cents lokales Street Food erhält, die McDonalds Preise für die arme Bevölkerung einfach nicht attraktiv waren.

 

6. Das berüchtigtste Gefängnis der Welt

 

Das San Pedro Gefängnis befindet sich mitten in der Innenstadt von La Paz an der Plaza San Pedro. Hier leben über 1500 Schwerkriminelle und das Bizarre daran ist die Art und Weise wie das Gefängnis aufgebaut ist.

Es handelt sich nicht einfach um einen Bau mit abgeschlossenen Zellen, wie wir uns ein Gefängnis üblicherweise vorstellen. Das San Pedro Gefängnis ist eine kleine in sich geschlossene Stadt mit eigenen Regeln und Hierarchien. Es gibt keine Wachen und Geld regiert auch in den Gefängnismauern die Welt. Die Insassen müssen sich ihre Zelle im Gefängnis kaufen oder mieten. Je nach Budget unterscheidet sich die Ausstattung enorm.

Die Gefangenen dürfen dort mit ihren Familien einziehen, so dass derzeit ungefähr 200 Kinder im San Pedro Gefängnis aufwachsen.

Es gibt Restaurants, Bars und Läden, die frei besucht werden können. Die Insassen haben Jobs und es existiert ein eigenes kleines Wirtschaftssystem Das blühendste Geschäft ist jedoch auch innerhalb der Gefängnismauern die Kokainprodukten. Das hochkorrupte System erlaubt es, dass hochwertiges Kokain auch außerhalb des San Pedro Gefängnis zu Geld gemacht wird.

Uns wurde berichtet, dass durch eine kleine Dachluke immer wieder Kokainpakete nach draußen auf die Plaza San Pedro geworfen werfen. Von einem Mittelsmann außerhalb des Gefängnisses wird das Kokain auf der Straße aufgesammelt und weiterverkauft.

Als Reisender solltest du also unter allen Umständen die Finger davon lassen, falls dir ein entsprechendes Päckchen vor dem Gefängnis vor die Füße fällt!

 

Finger weg von Gefängnistouren!

 

Bis 2009 waren Gefängnistouren ein riesiges, wenn auch illegales, Geschäft. Sie wurden sogar bei Lonely Planet empfohlen und waren ein echter Geheimtipp für La Paz. Es gab einen exklusiven Einblick in die korrupte Parallelgesellschaft und als Souvenir gab es ein Kokainpäckchen zum Mitnehmen. Ungefähr so sahen die Touren aus.

Auch wenn die Führungen heute eigentlich streng untersagt sind, kann es dir passieren, dass du auf der Straße angesprochen wirst, ob du durchs Gefängnis geführt werden willst. Lass dich bloß nicht darauf ein! Diese Führungen sind hochgefährlich.

Das San Pedro Gefängnis ist eine eigene abgeschlossene Gesellschaft und in der Vergangenheit kam es zu Vergewaltigungen von Touristinnen. Außerdem wurden Reisende im Gefängnis festgehalten, da sie nicht beweisen konnten, dass sie keine Insassen sind. Es wurden hohe Geldbeträge für die Freilassung verlangt und es gibt keine Möglichkeit die eigene Botschaft zu kontaktieren.

Wenn du mehr über das berüchtigte San Pedro Gefängnis erfahren willst, empfehle ich dir statt einer Führung besser das Buch Marching Powder von Rusty Young. Es erzählt vom ehemaligen Insassen Thomas McFedden, der in den 90er Jahren dort einsaß und die Touristentouren eingeführt hat.

 

7. Unvollständigkeit wird belohnt – bei Immobilien!

 

Sobald du die absolute Innenstadt von La Paz verlässt, findest du in den Hanglagen und in El Alto fast ausschließlich unverputzte Backsteinhäuser. Die Bauten wirken unfertig und großteils wird an zusätzlichen Etagen gearbeitet.

Ich dachte immer, das habe damit zu tun, dass die Leute einfach nicht über die finanziellen Mittel verfügen ihre Häuser fertig zu stellen, oder dass man versucht immer weiter zu bauen um der nächsten Generation ebenfalls ein Zuhause zu sichern.

Der wahre Grund für die ganzen unfertigen Häuser ist jedoch, dass man in Bolivien erst dann Steuern zahlt, wenn ein Haus offiziell fertig gebaut ist. Entsprechend belassen die Leute ihre Häuser in La Paz also ganz bewusst in einem Rohbauzustand und beziehen lediglich wenige bewohnbare Etagen.

 

8. Wo die Uhren anders ticken…

 

Verkehrte Uhr La Paz

 

Seit Juni 2014 prangt über dem Eingang des Kongressgebäudes in La Paz eine umgekehrte Uhr. Das bedeutet, dass rechts von der zwölf die elf zu finden ist und die Zeiger ebenfalls in die verkehrte Richtung laufen.

Die Uhr soll laut der Regierung ein Zeichen darstellen um sich endgültig von den Einflüssen der Kolonisation zu befreien. Die Zeitmessung verlaufe im Volk der Aymara andersherum und außerdem würde auf der Südhalbkugel ja auch das Wasser andersherum fließen. Es handelt sich also um die Uhr des Südens und ein Statement gegen die Einflüsse des Westens.

Selbst innerhalb der Bevölkerung wurde die Uhr am Kongressgebäude sehr zwiespältig aufgenommen. Dennoch gab es sogar die Idee alle Uhren in Bolivien umzustellen. Dies ist jedoch bisher nicht passiert.

 

9. Zebras im Straßenverkehr

 

Du siehst an einer Ampel eine Person in einem lustigen Zebrakostüm vor den Autos tanzen? Das hat nichts mit Karneval zu tun und auch hat die Person – im Normalfall – nicht einfach nur einen Drink zu viel. Das ist von der Stadt so gewollt!

Wie in vielen Ländern hält man sich auch in Bolivien nicht immer an die Straßenverkehrsordnung. Das Ergebnis sind seit vielen Jahren eine große Zahl an Unfällen und Verkehrstoten. Um dem entgegen zu wirken, hat La Paz im Jahr 2001 ein Programm entwickelt, bei dem der Verkehr von Leuten in Zebrakostümen geregelt wird.

Auf diese Weise ist die Motivation größer bei Rot auch wirklich an der Ampel stehen zu bleiben und tatsächlich hat sich seit Einführung der Zebras die Verkehrsstatistik verbessert. Zudem stecken in den Zebras häufig Alleinerziehende oder sozial benachteiligte Jugendliche, denen auf diese Weise eine neue Perspektive gegeben wird.

Die Zebraaktion ist also eine super Sache und eine weitere Kuriosität der spannendsten Stadt Südamerikas!